Donnerstag, 12. April 2012

Einsendeaufgabe RO02

Vorhin habe ich meine zweite Einsendeaufgabe an die SL gesendet. Und wieder bin ich mächtig aufgeregt.

Die Aufgabe bestand dieses mal darin, zwei Texte zu schreiben, die zwar die gleiche Ausgangssituation haben, jedoch zwei unterschiedliche Prämissen verfolgen sollten.

Hier die Ausgangssituation:
Wir befinden uns in einer Großstadt: viele Autos auf der Straße, viele Menschen, hohe Häuser. Ein Mann und eine Frau stehen sich an einer roten Ampel gegenüber, der Mann auf der einen Straßenseite, die Frau auf der anderen. die beiden kennen sich. Um sie herum drängen sich viele weitere Menschen, die auch darauf warten, dass die Ampel umschaltet.

Prämisse 1: um jemanden zu retten, muss man manchmal Liebe vor Wahrheit gehen lassen.
Prämisse 2: Hochmut kommt vor dem Fall.

Diese beiden kleinen Stories sind daraus entstanden:

Liebe (Um jemanden zu retten, muss man manchmal Liebe vor Wahrheit gehen lassen)

Es ist heiß, wahnsinnig heiß. Links hinter mir plätschert ein Brunnen vor sich hin und ich muss der Versuchung widerstehen, mich einfach auf den aus Steinen gemauerten Rand zu setzen und die Füße ins Wasser baumeln zu lassen. Die Luft über dem Asphalt flimmert, als würde sich die Straße verflüssigen. Das grelle Sonnenlicht spiegelt sich in den Glasfassaden der riesigen Bürogebäude wieder, und man kann in fast keine Richtung blicken, ohne dass man droht zu erblinden. Ich kneife die Augen zusammen und schirme sie gleichzeitig mit einer Hand ab.

Mein Blick fällt auf einen ungepflegten Typen vor mir, der mir die Sicht auf die andere Straßenseite versperrt. Er sieht nicht nur aus, als ob er die Nacht auf einer Parkbank verbracht hätte, er riecht auch danach. Angewidert trete ich einen Schritt zur Seite und versuche, mir ein wenig frische Luft zuzufächeln.

Dann wende ich meine Aufmerksamkeit der gegenüberliegenden Straßenseite zu. Ich erkenne ihn sofort. Er sieht müde und erschöpft aus. Die schwere Krankheit hat ihn ausgemergelt. Jeans und Shirt sind ihm mittlerweile viel zu weit geworden, noch vor einem Jahr hat er beides gut ausgefüllt. Heute ist er nur noch ein Schatten seiner selbst. Unwillkürlich steigen mir Tränen in die Augen. Ich kann es kaum ertragen, was diese furchtbare Krankheit aus dem einst so wunderschönen und stolzen Mann gemacht hat. Und dennoch ist meine Liebe zu ihm niemals weniger geworden. Im Gegenteil. Umso mehr verabscheue ich seine Frau für das, was sie ihm antut. Sie hat einen Mann wie ihn doch überhaupt nicht verdient. Er vergöttert sie und würde für sie die Sterne vom Himmel holen, wenn er es könnte. Früher war sie einmal meine beste Freundin, das war jedoch, bevor ich erkannt habe, was für ein Mensch sie wirklich ist. Wenigstens hat sie so viel Anstand, ihre Liebschaften diskret zu behandeln. Dennoch habe ich die Befürchtung, dass Ralf zumindest einen leisen Verdacht hegt, sonst hätte er mich niemals darum gebeten, Vanessa auszuhorchen.
Doch soll ich ihm wirklich die Wahrheit sagen? Wird er mir überhaupt glauben? Unter keinen Umständen möchte ich Ralf auch noch als Freund verlieren, er war und ist der wichtigste Mensch in meinem Leben.
Andererseits, so wie es jetzt aussieht, wird er ohnehin in einigen Wochen, mit viel Glück vielleicht auch Monaten, nicht mehr da sein. Was Vanessa nicht geschafft hat, wird dieser verfluchte Hirntumor erledigen.

Die Ampel schaltet auf grün, und Ralf kommt langsam auf mich zu. Ich bleibe an Ort und Stelle stehen und sehe ihm entgegen.
„Hast Du etwas herausgefunden?“ Seine Augen blicken mir hoffnungsvoll entgegen, und plötzlich ist da wieder etwas, von dem ich glaubte, es niemals wieder sehen zu können. Ein winziges Echo dieser Lebendigkeit und Güte von einst.

Ich zögere keine Sekunde. „Nein“, antworte ich lächelnd, „es ist alles gut.“ Er strahlt glücklich, und ich weiß, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe.


Gerechtigkeit (Hochmut kommt vor dem Fall)

Was für ein Scheiß-Tag! Die geschlossene Wolkendecke lässt keinen einzigen Sonnenstrahl hindurch. Das Wetter ist ebenso düster wie meine Stimmung. Es hat die ganze Nacht geregnet, und die Straßen sind immer noch nass. Manche Autofahrer scheinen eine geradezu diebische Freude daran zu haben, besonders tiefe und große Pfützen so zu durchfahren, dass möglichst viele Fußgänger eine unfreiwillige und obendrein schweinekalte Dusche abbekommen. In der Ferne ist ein Martinshorn zu hören. Nichts Besonderes, in einer solch großen Stadt passiert immer irgendetwas. Eine kleine, dunkelhaarige Passantin neben mir nutzt die Rotphase, um einige Züge von ihrer Zigarette zu nehmen. Ihr Lippenstift hinterlässt ein unregelmäßiges Muster auf dem Filter. Der Rauch weht in meine Richtung. Ich drehe den Kopf von ihr weg und der gegenüberliegenden Straßenseite zu.

Eine dralle Blondine blickt mir hämisch entgegen und meine Stimmung fällt endgültig ins Bodenlose. Caroline. Grimmig stopfe ich meine Fäuste in die Hosentaschen. Wie konnte ich nur jemals so verblendet sein und mich mit diesem Miststück einlassen? Sie war noch nicht einmal besonders gut im Bett, obwohl man ja der landläufigen Meinung ist, dass ‚Dumm gut …‘, ach ihr wisst schon, was ich meine.
Wie auch immer, sie war zumindest nicht zu dumm, sich einen sauteuren Anwalt zu nehmen und lässt mich zurzeit so richtig ausbluten. Die Handtasche, die an ihrem Handgelenk baumelt, und mit Sicherheit von keinem geringeren als Louis Vuitton ist, dürfte ebenso von mir bezahlt sein, wie die unechten Brüste, die in einem Chanel-Kostüm stecken. Von den sündhaft teuren Klunkern an ihren Ohrläppchen fange ich am besten gar nicht erst an. Sie hat es schon immer gut verstanden, massenhaft Geld unter die Leute zu bringen. Mein Geld, wohlbemerkt. Elegant wirft sie die lange wasserstoffblonde Mähne über ihre Schultern und blickt mich voller Spott an. Ihre ganze Haltung schreit mir geradezu entgegen: „Sieh her … betrachte die Person, die bald über die Hälfte des Vermögens deiner Väter verfügen wird!“ Ich koche vor Wut, und ich fürchte, man sieht es mir auch von Weitem an, denn Caroline lächelt hochmütig.

Ein LKW nähert sich der Ampel und versperrt zum Glück die Sicht auf sie. Der Wunsch, meine Hände um ihren schlanken Hals zu legen und so lange zuzudrücken, bis sie nicht mehr atmet, ist fast übermächtig.
Plötzlich ertönt ein spitzer Schrei, fast gleichzeitig das durchdringende Quietschen von bremsenden Reifen und dann bricht die Hölle los. Stimmen schreien durcheinander. Der LKW kommt zum Stehen und ich versuche unter ihm hindurch eine freie Sicht auf die andere Seite zu erhaschen. Eine riesige Blutlache breitet sich schnell auf der Straße aus, dazwischen sind einige blonde Strähnen meiner zukünftigen Exfrau erkennbar. Die Vuitton-Tasche klemmt unter einem LKW-Rad fest.

Zufrieden lächelnd recke ich mein Gesicht den ersten Sonnenstrahlen des Tages entgegen, die durch die langsam aufreißende Wolkendecke lugen. Was für ein herrlicher Tag!

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